Wilt, J., Bleidorn, W., and Revelle, W. (2016) Finding a Life Worth Living: Meaning in Life and Graduation from College. European Journal of Personality, 30, 158–167. doi: 10.1002/per.2046
Studentinnen und Studenten, die die Universität abschließen, steht die Welt offen. Ein großer Lebensabschnitt geht zu Ende, und zahlreiche Möglichkeiten und Herausforderungen liegen vor ihnen.
Ist diese Zeit womöglich eine Zeit, in der die Wahrnehmung einen Sinn im Leben zu haben Einfluss auf dessen weiteren Verlauf hat? Was begünstigt diese Einschätzung, und verändert es sich während der Tage rund um die offizielle Abschlussfeier?
Joshua Wilt, Wiebke Bleidorn und William Revelle untersuchten als internationales Forscher*innenteam mit diesen Überlegungen als Grundlage 75 Collegeabsolvent*innen in den Tagen rund um ihre Abschlussfeier. Sie gingen davon aus, dass große Entwicklungsschritte im Leben eine gute Basis für Untersuchungen zum Lebenssinn bilden, da sich in diesem Kontext auch Veränderungen in der psychologischen Entwicklung eines Individuums ergeben.
Sie untersuchten zunächst, ob sich unmittelbar um die Abschlussfeier herum der momentan empfundene Lebenssinn von einem globalen Lebenssinn unterschied. Des Weiteren prüften sie, ob der Lebenssinn zur Zeit der Abschlussfeier das Empfinden eines globalen Lebenssinns beeinflusste.
Die Forscher*innen fragten während der drei Tage um die Abschlussfeier herum (ein Tag vor und nach der Feier und der Tag der Feier selbst) mehrere Punkte ab: das gegenwärtige Erleben von Sinn im Leben, deren derzeitige Tätigkeit (beispielsweise Zeit mit der Familie oder in einem Restaurant, fotografieren und andere) und ihre Gefühle, wie beispielsweise Freude. Diese Ergebnisse verglichen sie unter anderem mit Angaben der Studierenden, die eine Woche vor und eine Woche nach der Feier erhoben wurden.
Sie fanden heraus, dass Studierende, die in den Tagen um die Abschlussfeier höhere Werte für Sinn im Leben zeigten, generell höhere Werte hierfür aufwiesen. Das Erleben von Sinn blieb auch eine Woche später relativ stabil.
Basierend auf ihren Ergebnissen stellte sich den Forscher*innen die Frage, warum einige Studierende mehr Sinnempfinden angaben als andere. Sie stellten fest, dass auch der Kontext von Bedeutung für das subjektive Sinnerleben war. Die Erfahrung von Sinn im Leben stieg an, wenn die Studierenden beispielsweise Zeit mit anderen oder ihrer Familie verbrachten oder über ihre Zeit an der Universität nachdachten. Diese Reflexion der eigenen Zeit am College konnte als wichtiger Einflussgeber festgestellt werden für den Zusammenhang zwischen Gesellschaft mit anderen und dem eigenen gegenwärtigen Sinnerleben. Die Werte sanken hingegen, wenn die Befragten Zeit alleine verbrachten.
Die Forscher*innen bringen das mit der sozioökonomischen Theorie zusammen, die besagt, dass die Umgebung eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes bewirkt. Daraus schließen sie, dass Menschen ihre Umgebungserfahrungen und demnach ihr Erleben von Sinnhaftigkeit durch proaktive (s. Kasten) Entscheidungen beeinflussen können.
Aufgrund der Ähnlichkeit der Ergebnisse während der Tage der Feierlichkeit und denen eine Woche später sehen die Forschenden die Theorie bestätigt, dass Veränderungen im Moment Auswirkungen haben können auf das generelle Empfinden, was sie besonders hervorheben. Wenn Menschen sich also aktiv dazu entschließen ihr Sinnerleben zu verstärken, kann dies auch langfristige Auswirkungen auf ihr Erleben von Sinn im Leben haben. Und dieser Gedanke ist nicht nur für Universitätsabsolvent*innen interessant.
Zusammengefasst von Johanna Salger