Ostafin, B. D. & Feyel, N. (2018). The effects of a brief meaning in life intervention on the incentive salience of alcohol. Addictive Behaviors 90 (2019), 107-111.
Übermäßiger Alkoholkonsum unter Studierenden kann viele negative Konsequenzen haben und sich sowohl auf die Gesundheit als auch den Studienerfolg auswirken.
Als einen schützenden Mechanismus vermuteten existenzielle Psychologen wie Frankl oder Yalom dabei das Sinnerleben, das beispielsweise durch das Wissen um die eigenen, intrinsisch motivierten Ziele angeregt werden könne. In eine ähnliche Richtung ging C. G. Jung, der in dem Bekenntnis zu höheren Werten ein passendes Gegenmittel zu der Versuchung sah, die von Alkohol ausgehen kann.
Studien späterer Jahre ziehen als mögliche Erklärung, weshalb Menschen einen problematischen Umgang mit Alkohol entwickeln, ein Ungleichgewicht in der Reizwahrnehmung heran. Demnach nehmen betroffene Menschen eher die positiven Anreize in Verbindung mit Alkohol wahr und weniger die langfristigen Konsequenzen, was sich in problematischem Trinkverhalten niederschlage.
Die folgende Studie widmet sich nun experimentell der Frage, ob ein erhöhtes Sinnerleben den Effekt alkohol-verbundener Anreize auf die Wahrnehmung abschwächen kann.
Die Studie
Dazu ließen Brain D. Ostafin und Nils Feyel von der Universität Groningen 83 Studierende (Durchschnittsalter: 20 Jahre) zufällig in zwei Gruppen einteilen, von denen bei einer das Sinnerleben der Gruppenmitglieder verstärkt wurde, während das bei der anderen nicht geschah. Anschließend ließen sie alle Proband*innen eine Variante des Stroop-Tests absolvieren.
Darin wurden Wörter gezeigt, die in Verbindung mit Alkohol standen (beispielsweise Wodka oder Wein) oder nicht (Klavier, Gitarre) und in unterschiedlichen Farben präsentiert wurden. Die Aufgabe war es, möglichst schnell anzugeben, in welcher Farbe das jeweilige Wort geschrieben stand. Bei solchen Stroop-Tests sind diejenigen besonders schnell, denen es am besten gelingt sich nicht durch die Bedeutung des Wortes ablenken zu lassen, sondern sich allein auf die Schriftfarbe zu konzentrieren. Längere Reaktionszeiten oder häufigere Falschantworten wurden als gleichbedeutend mit größerer Ablenkung durch die Bedeutung des Wortes gesehen.
Wie wahrgenommener Lebenssinn verstärkt wurde
36 Proband*innen waren der Gruppe zugeteilt, in der das Sinnerleben verstärkt werden sollte. Die Gruppenmitglieder hatten die Aufgabe, einen Aufsatz darüber zu lesen, wie wichtig es sei, ein authentisches Leben zu führen – im Gegensatz zu einem, das durch Anpassung an andere charakterisiert ist.
Nachdem die Proband*innen diesen Aufsatz kurz (Maximum 25 Wörter) zusammengefasst hatten, sollten sie drei Werte nennen, die sie als ihrem inneren Wesenskern zugehörig beschreiben würden (beispielsweise angeleitet durch die Aufforderung, Werte zu nennen, die ihnen wichtig seien, unabhängig davon was andere Menschen als wichtig erachten würden). Abschließend sollten sie Möglichkeiten nennen, wie sie innerhalb des nächsten Monats jeden dieser drei Werte ausleben könnten.
Die Kontrollgruppe erhielt ähnliche Anweisungen, allerdings bezogen sich diese auf einen Aufsatz über die Vorteile einer Gruppe, deren Mitglieder sich sehr konform verhalten. Des Weiteren sollten sie Werte aus ihrer Gruppe/Gesellschaftsschicht nennen, die ihnen persönlich wenig bedeutsam waren und dazu jeweils eine Situation aus der Vergangenheit finden, in der sie sich entsprechend diesen Werten verhalten hatten.
Ergebnisse
Es zeigte sich ein mittlerer Effekt auf einen der beiden Parameter, mit dem der Erfolg im Stroop- Test gemessen wurde. Proband*innen aus der Gruppe, die vorher die Maßnahme zur Erhöhung von Sinnerleben durchgeführt hatte, zeigten zwar keine kürzeren Reaktionszeiten als diejenigen in der Kontrollbedingung, allerdings machten sie weniger Fehler als ihre Vergleichsgruppe.
Wie andere Studien zeigen, scheint im Vergleich zwischen den beiden die Fehlerrate ein zuverlässigerer Prädiktor für zukünftigen Alkoholkonsum zu sein als die Reaktionszeit.
FAZIT
Ostafin und Feyel führen die erhaltenen Ergebnisse darauf zurück, dass Menschen, deren Empfinden für Sinnerleben gesteigert wurde, Alkohol bzw. Reize, die mit Alkohol in Zusammenhang stehen, als weniger attraktiv einschätzen und diesen folglich weniger Aufmerksamkeit schenken. Dadurch seien sie weniger ablenkbar und würden weniger Fehler im Stroop- Test machen.
Während vorhergehende Studien bereits den Zusammenhang zwischen Sinnerleben und Alkohol untersuchten, zeichnet sich diese Studie dadurch aus, dass sie einen direkten Effekt von Sinnerleben auf die mit Alkohol verbundene Reizwahrnehmung nachweist.
Sinnerleben kann folglich nicht nur die Motivation erhöhen, von schädigenden Einflüssen Abstand zu nehmen, sondern es schwächt auch die aufmerksamkeitsziehende Sogwirkung, die Alkohol auf Menschen haben kann.
Zusammengefasst von Yannik Möller