Bernadette Vötter widmet sich in ihrem Dissertationsprojekt ganz dem bisher wenig erforschten Erleben hochbegabter Erwachsener. In zwei aktuellen Artikel beschreibt sie spannende Erkenntnisse.
Vötter, B., & Schnell T. (2019). Cross-Lagged Analyses between Life Meaning, Self-Compassion, and Subjective Well-Being among Gifted Adults. Mindfulness, 10(7), 1294-1303. https://doi.org/10.1007/s12671-018-1078-x
Eine Längsschnittanalyse über mehrere Jahre hinweg konnte zu unserem Wissen darüber beitragen, wie der Zusammenhang von Sinn und Glückserleben ausschaut. Theoretisch gehen wir in der Sinnforschung davon aus, dass ein „grund-legender“ Lebenssinn es ermöglicht, involviert und authentisch zu leben. Dies wiederum schafft Möglichkeiten für Erfahrungen von Autonomie, Kompetenz und sozialer Einbindung – was gut tut, sich gut anfühlt und mit Glückserfahrungen einhergeht (Schnell, 2016).
Bernadette Vötter konnte belegen: Wer zum ersten Zeitpunkt Sinnerfüllung berichtete, war vier Jahre später deutlich glücklicher. Anders herum zeigte sich dies nicht: Das Glückserleben zum ersten Zeitpunkt war nicht relevant für späteres Sinnerleben.
Der Fokus dieser Studie hatte jedoch auf etwas anderem gelegen, dem Selbstmitgefühl (Freundlichkeit und Nachsicht mit sich selbst). Entgegen der Annahme von Kristin Neff, die das Konstrukt bekannt gemacht hat, trug Selbstmitgefühl weder zum späteren Sinn- noch Glückserleben der Befragten bei. Bernadette Vötter fragte sich also: Was kann das Sinnerleben und subjektive Wohlbefinden bei Hochbegabten stärken?
Vötter, B & Schnell T (2019). Bringing Giftedness to Bear: Generativity, Meaningfulness, and Self-Control as Resources for a Happy Life Among Gifted Adults. Frontiers in Psychology, 10, Article 1972. doi: 10.3389/fpsyg.2019.01972
In einer weiteren Studie überprüften wir die Bedeutung der Generativität für das Wohlbefinden und Sinnerleben erwachsener Hochbegabter. Wichtig ist hier zu wissen, dass wir aufgrund unserer bisherigen Forschung zur Hochbegabung zwei Ausprägungen unterscheiden: Hochleistung – die in Österreich z.B. durch die „Promotio sub auspiciis Praesidentis rei publicae“ belegt ist (höchstmögliche Auszeichnung von Schul- und Studienleistungen), und Hochintelligenz – die bei einem IQ von mindestens 130 gegeben ist. Wie bereits berichtet haben Hochintelligente es deutlich schwerer, einen Sinn in ihrem Leben zu sehen, als Hochleister. In der oben zitierten Studie nun zeigte sich wie erwartet, dass beide Gruppen mit einer generativen Haltung Sinn erlebten und dieser zu späterem Wohlbefinden beitrug. Bei Hochintelligenten fand sich zusätzlich eine wichtige Differenzierung: Der genannte Zusammenhang trat vor allem dann auf, wenn sie über ausreichend Selbstkontrolle verfügten. Die Daten legen nahe, dass es vor allem für Menschen mit hoher Intelligenz von Vorteil ist, sich darin zu üben, Impulse und Bedürfnisse zu regulieren, um Sinn erleben und daraus Glück schöpfen zu können. Dass dies durch Übung möglich ist, erläutert der Psychologe Walter Mischel hier.