Gligorić, V., da Silva, M. M., Eker, S., van Hoek, N., Nieuwenhuijzen, E., Popova, U., & Zeighami, G. (2021). The usual suspects: How psychological motives and thinking styles predict the endorsement of well‐known and COVID‐19 conspiracy beliefs. Applied Cognitive Psychology, 35, 1171-1181.
Gligoric und seine KollegInnen befassen sich in ihrer Untersuchung mit möglichen Faktoren, welche Verschwörungsglauben (conspiracy beliefs) – auch in Bezug auf Covid-19 – begünstigen. Dafür untersuchen sie sowohl psychologische Motive wie auch kognitive Faktoren als mögliche begünstigende Einflüsse.
Basierend auf Douglas (2021) und Douglas et al. (2017) wurden epistemische, existentielle und soziale Motive erhoben. Epistemische Motive bezeichnen das Bedürfnis die Welt und die eigene Umgebung zu verstehen. Dazu zählt die illusionäre Musterwahrnehmung (Illusory Pattern Perception), welche das Phänomen beschreibt sinnvolle Zusammenhänge zwischen zufälligen oder unzusammenhängenden Ereignissen zu sehen. Auch das Bedürfnis nach kognitiver Schließung (Need for Cognitive Closure), also der Wunsch gesichertes Wissen zu vergrößern und Unsicherheiten zu vermeiden, wird in epistemische Motive miteingeschlossen und erhoben.
Das Bedürfnis nach Kontrolle (Need for Control) zählt zu den existentiellen Motiven. Frühere Ergebnisse zeigten, dass bei geringer wahrgenommener Kontrolle Verschwörungsglauben wahrscheinlicher wird.
Zusätzlich werden auch soziale Motive fokussiert, welche als Bedürfnis nach Einzigartigkeit (Need for Uniqueness) und Narzissmus erhoben wurden. Frühere Studien zeigten bereits, dass Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeit tendenziell zu Verschwörungsglauben neigen.
Des Weiteren wurde Spiritualität als psychologisches Motiv erhoben. Die wenigen bisher bestehenden Untersuchungen deuten darauf hin, dass auch Spiritualität Verschwörungsglauben begünstigt. Hier wurde Spiritualität mit Hilfe der drei Faktoren Verbundenheit (Relatedness), Selbstfindung (Self-Discovery) und ökologische Bewusstheit (Eco-Awareness) untersucht.
Die kognitiven Faktoren wurden unter anderem auf Basis der dualen Prozesstheorie der Kognition von Evans und Stanovich (2013) gewählt. Diese besagt, dass unser Denken entweder analytisch oder intuitiv abläuft. Frühere Studien zeigten, dass analytisches Denken mit weniger, intuitives Denken hingegen mit mehr Verschwörungsglauben in Verbindung gebracht werden kann. Aus diesem Grund wurden auch analytisches und intuitives Denken als Faktoren miteingeschlossen.
Außerdem wurde der Einfluss der Persönlichkeitseigenschaft Offenheit für Erfahrungen auf die Akzeptanz von Verschwörungsannahmen untersucht. Offenheit für Erfahrungen kann Verschwörungsglauben begünstigen, aber auch davor schützen. Als begünstigender Aspekt gilt die Neigung einer Person an unübliche oder paranoide Ideen zu glauben. Kritisches Denken gilt als schützender Aspekt. Dementsprechend wurden die drei Facetten Wissenssuche (Inquistitiveness), Kreativität (Creativity) und die Tendenz an unübliche Ideen zu glauben (Unconventionally) zur Erhebung herangezogen.
Verschwörungsglaube wurde auf drei verschiedene Weisen erhoben. Zum einen als Glaube an spezifische Verschwörungsannahmen (Belief in Specific Conspiracy Theories) mit Hilfe von fünf verbreiteten Verschwörungen. Zum anderen wurde der Glaube an Covid-19 Verschwörungsannahmen (Belief in Covid-19 Conspiracy Theories), mittels dreier Aussagen und eine generelle Verschwörungsmentalität (Conspiracy Mentality) ermittelt, wobei die ProbandInnen jeweils das Ausmaß ihrer Zustimmung zu bestimmten Aussagen angeben sollten.
Die Untersuchung fand als Online-Studie in den Niederlanden statt. Insgesamt nahmen 354 Personen mit einem jungen Durchschnittsalter von 29 Jahren teil; 63% davon waren weiblich.
Die Ergebnisse zeigen, dass die drei Maße für Verschwörungsglauben stark miteinander zusammenhängen. Dennoch scheint der Inhalt des Verschwörungsglaubens eine Rolle zu spielen: Hinsichtlich der Verschwörungsannahmen zu Covid-19 wurden diejenigen eher akzeptiert, die den Ursprung des Virus betrafen, nicht aber die, die auf wachsenden Profit von bestimmten Personengruppen verwiesen.
Spiritualität sagte alle drei erhobenen Arten des Verschwörungsglaubens vorher. Dies war jedoch lediglich auf den Faktor ökologische Bewusstheit (Eco-Awareness) zurückzuführen.
Hinsichtlich der epistemischen Motive zeigte sich, dass das Bedürfnis nach kognitiver Schließung sowie illusionäre Musterwahrnehmung mit einer generellen Verschwörungsmentalität und dem Glauben an spezifische Verschwörungsannahmen einhergingen. Bei den existentiellen Motiven konnte für das Bedürfnis nach Kontrolleein geringer positiver Zusammenhang mit allen drei Messungen von Verschwörungsglauben gefunden werden. Auch bei den sozialen Motiven ergab sich ein Zusammenhang von Narzissmus mit allen drei Maßen.
Für Analytisches Denken zeigte sich ein negativer – also schützender – Zusammenhang mit allen drei Maßen von Verschwörungsglauben. Die Ergebnisse bezüglich intuitiven Denkens zeigten lediglich einen geringen positiven Zusammenhang mit genereller Verschwörungsmentalität.
Die Auswertung der Wirkung von Offenheit für Erfahrungen ergab, dass wenn Menschen in einem hohen Maß auf der Suche nach Wissen sind, sie weniger an spezifische Verschwörungen glaubten und eine geringere Verschwörungsmentalität hatten. Die Tendenz an unübliche Ideen zu glauben, ging hingegen mit mehr Verschwörungsmentalität einher.
Festzuhalten ist, dass vor allem die ökologische Bewusstheit (Eco-Awareness) als Faktor von Spiritualität, geringes analytisches Denken und hoher Narzissmus Verschwörungsglauben vorhersagen. Dies galt auch im Hinblick auf Verschwörungsglauben zu Covid-19. Ökologische Bewusstheit (Eco-Awareness) wird hierbei als eine Art Neuzeit-Spiritualität beschrieben, die davon ausgeht, dass alles miteinander verbunden ist und dass eine höhere Macht existiert. Analytisches Denken beschreibt einen Denkprozess, der bewusst und rational abläuft, wobei Fakten geprüft und überdacht werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig eine transparente Informationspolitik und eine faktenbasierte Meinungsbildung auf der Basis von analytischem Denken ist. Gerade in Zeiten der Unsicherheit, in der das Bedürfnis nach Kontrolle und kognitiver Schließung nicht ausreichend erfüllt werden kann, kann dies vor Verschwörungsglauben schützen.
Zusammengefasst von Theresa Lampersberger