Welche Rolle spielt ‚meaning-making‘ für die psychosoziale Gesundheit von kriegstraumatisierten Menschen?

Badri, A., Crutzen, R., Eltayeb, S. & Van den Borne, H.W. (2013). Promoting Darfuri women`s psychosocial health: developing a war counsellor training programme tailored to the person. EPMA Journal, 4(1), 10.

Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge nach Europa. Diese Menschen fliehen vor Krieg und Elend und nehmen aus Verzweiflung einen oft monatelangen Weg auf sich. Wenn sie im neuen Land ankommen, sind sie häufig schwer traumatisiert, benötigen psychosoziale Beratung und brauchen einige Zeit um im Ankunftsland Fuß zu fassen.

Im Bezug auf diese Problematik ist die folgende Studie von Badri et al. sehr interessant. Sie entwickelten Leitlinien für ein Trainingsprogramm für Traumaberater, um die vom jahrelangen Krieg traumatisierte Frauen aus Darfur, Sudan, zu behandeln.

Dabei untersuchten sie zahlreiche weibliche Studenten der Ahfad University for Women (AUW) in Omdurman City, Khartoum State. Diese privat finanzierte Universität nimmt Frauen aus dem Kriegsgebiet auf und sichert ihnen somit die Zukunft.

Untersucht wurde sowohl qualitativ (20 Probandinnen durch narrative Interviews) als auch quantitativ (116 Probandinnen durch verschiedene Fragebögen, wie die Resilienzskala, der Harvard Trauma Questionnaire (HTQ) und die Hopkins Symptom Checklist-25 (HSCL-25)).

Hierbei wurde festgestellt, dass viele Frauen Symptome für psychische Störungen aufweisen. Allerdings fanden sie heraus, dass sich ein moderater Teil der Frauen als resilient, also psychisch widerstandsfähig, zeigt und sich bestimmten Bewältigungsmechanismen bedient, um mit den extremen Belastungen umzugehen. Diese sind vor allem religiöse Erklärungen bzw. Praktiken, die Suche von sozialer Unterstützung, ein optimistischer Zukunftsblick und das Zuschreiben von Bedeutung, das sogenannte meaning-making“. Hierbei geben sie den unveränderlichen Ereignissen einen Sinn und passen ihre Gedanken, Prioritäten und Ziele im Leben an die neue Situation an. Diese neue Sinnhaftigkeit erleichtert ihnen mit der Situation umzugehen oder sogar daran zu wachsen.

Deshalb sollte in der Traumaberatung die Nutzung dieser protektiven Mechanismen ganz besonders gefördert werden. Außerdem sollten Traumaberater…

  • spezifisches Wissen über die vielschichtigen psychosozialen Bedürfnisse sudanesischer Frauen besitzen (von Normen und Rollen der Gesellschaft bis zu durch den Wohnortwechsel bedingte Herausforderungen);
  • Diagnostikinstrumente, verschiedene Techniken und Therapien kennen und anwenden können;
  • die Therapie möglichst in einem Gruppensetting ansetzen (kosteneffizient und erleichtert die Identifikation der Klienten mit Anderen), und
  • bestimmte Persönlichkeitseigenschaften wie Empathie und Respekt aufweisen.

Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass der Prozess des „meaning-making“ einen wesentlichen Faktor bei der Behandlung bzw. für die Genesung von kriegstraumatisierten Menschen darstellt. Zusätzlich muss die Therapie auf deren speziellen Bedürfnisse abgestimmt sein.

Diese Erkenntnisse kann man gut auf die in Europa ankommenden Flüchtlinge übertragen. Einige davon, die schon länger hier sind und einen Aufenthaltsstatus besitzen, sind immer noch schwer traumatisiert und benötigen psychosoziale Hilfe. Diese sollten vor allem durch eine sinnstiftende und auf ihre Kultur im Herkunftsland abgestimmte Therapie aufgefangen und behandelt werden. Zusätzlich wird auch die Frage aufgeworfen, ob man das Risiko von Traumafolgeschäden schon minimieren könnte, indem man Flüchtlingen früher die Möglichkeit zur eigenständigen Entwicklung von Zukunftsperspektiven gewährt, damit ihnen die Zuschreibung von Sinn zum neuen Leben überhaupt gelingen kann. Dies könnte in verschiedener Weise erfolgen, zum Beispiel durch die Gelegenheit des früheren Arbeitseinstiegs.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Integration der vielen ankommenden, oft kriegstraumatisierten, Menschen eine große Herausforderung darstellt. Durch die geeigneten Maßnahmen und der Förderung des Sinnerlebens der bedürftigen Asylbewerber in der neuen Heimat können aber schon große Schritte in die richtige Richtung getan werden.

Zusammengefasst von Lena Seitzer

 

 

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