Chan, C. S., van Tilburg, W. A., Igou, E. R., Poon, C. Y., Tam, K. Y., Wong, V. U., & Cheung, S. K. (2018). Situational meaninglessness and state boredom: Cross-sectional and experience-sampling findings. Motivation and Emotion, 42(4), 555-565.
Eine internationale Gruppe von Forscher*innen um den Psychologen Christian Chan in Hong Kong hat untersucht, ob als sinnlos erlebte Situationen auch mit einem Gefühl der Langeweile einhergehen, unabhängig von der Persönlichkeit oder davon, ob man traurig ist oder die Veranlagung zur Langeweile hat.
Die Definition, welche die Autoren in dieser Arbeit benutzen, fasst Langeweile als die Unfähigkeit auf, wirklich in einer Situation involviert zu sein, eine gewollte angenehme Tätigkeit aufzusuchen und einen tieferen Sinn in Situationen zu erkennen. Bestehende Forschung zeigt, dass Langeweile mit Apathie, Anhedonie (Unlust) und Depression in Zusammenhang steht. Langeweile scheint auch mit einigen negativen Emotionen wie Traurigkeit, Wut und Frustration in einem schwachen Zusammenhang zu stehen. Gelangweilte Personen beschreiben zudem, dass für sie die Zeit quälend langsam verstreicht.
In einer ersten Erhebung wurden bisherige Befunde zum Thema Langeweile überprüft. Dazu wurde eine Querschnittstudie mit vier Gruppen durchgeführt. In einer Gruppe sollten die Versuchspersonen sich an eine Situation erinnern, in welcher sie Langeweile erlebten, in einer anderen Gruppe Situationen, in welchen sie keine Langeweile erlebt hatten, in einer dritten Situationen, in welcher sie Traurigkeit gespürt hatten. In der letzten Gruppe sollten sie sich an eine Situation erinnern, in der sie sehr engagiert waren. Nachdem sie jede dieser Situationen beschrieben hatten, sollten sie folgende Fragen beantworten: „Wie gelangweilt haben Sie sich in der Situation gefühlt?“, „Wie traurig haben Sie sich in der Situation gefühlt?“ und mehrere Fragen zum Sinnerleben in dieser Situation. Die zweite Studie wurde mit neuen Versuchspersonen erhoben und teilte sich in zwei Phasen: In der ersten Phase wurden zuerst Basisdaten erhoben. Dazu gehörten demografische Angaben, Fragen zur Veranlagung von Langeweile und ein Persönlichkeitstest. Danach wurde eine Experience-Sampling-Studie durchgeführt. Die Experience-Sampling-Methode ist die aufwendigste, aber auch gewinnbringendste Methode der psychologischen Feldforschung. Die Teilnehmenden müssen dabei denselben Fragebogen in zufälligen Zeitabständen mehrmals über den Tag hinweg beantworten, und das über einen längeren Zeitraum. In dieser Studie wurden die Teilnehmenden mittels einer Smartphone-App zufällig zwischen 10 Uhr morgens und 8 Uhr abends eine Woche lang aufgefordert, einen Fragebogen zu beantworten. Dieser enthielt Fragen zur erlebten Langeweile und der Traurigkeit in der aktuellen Situation, sowie, ob man diese Situation alleine oder in Gesellschaft erlebt. Des Weiteren wurde erhoben, ob sie die Aktivität, in der sie sich gerade befanden oder befunden hatten, als sinnvoll erleben. Durch dieses Versuchsdesign ist es möglich, den Einfluss von Einstellungen und Veranlagungen auf alltägliche Situationen unter Realbedingungen zu messen.
In der ersten Erhebung konnte gezeigt werden, dass sich Langeweile von Traurigkeit unterscheidet. Erlebte Langeweile scheint das (Nicht-)Sehen von Sinn in einer Aufgabe vorherzusagen, auch unabhängig davon, ob wir einen Hang zur Langeweile haben, traurig waren und auch unabhängig von unserer Persönlichkeit. In der zweiten Erhebung konnte gezeigt werden, je stärker die Teilnehmer eine Tätigkeit als sinnvoll wahrnahmen, desto weniger spürten sie Langeweile auch unabhängig von Traurigkeit, Neigung zur Langeweile und Persönlichkeit. Erstaunlich war der Befund, dass wir eine sinnlose Aufgabe als noch langweiliger empfinden, wenn wir diese mit anderen Personen zusammen als langweilig erleben! Ob Langeweile die Ursache für einen Mangel an Sinn in Situationen ist oder erlebte Sinnlosigkeit in Situationen zu Langeweile führt, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Aber wir wissen jetzt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Langeweile und dem Fehlen von Sinn in einer Tätigkeit.
Was bedeuten die Ergebnisse für mein Leben?
Aus dieser Studie können wir gleich mehrere Schlüsse für ein Leben ohne Langeweile ziehen. Ob mein Leben langweilig ist oder nicht, hängt nicht von meiner Persönlichkeit ab, sondern davon, wie ich jeden Moment meines Lebens gestalte. Zunächst einmal sollte ich ganz intensiv jeden Moment meines Lebens leben, oder, wie Oscar Wilde sagte: „In einem Leben, was selbst nur ein Augenblick ist, den Moment zur Ewigkeit erheben“. Intensiv heißt auch, in traurigen Momenten hinzuschauen, denn alle unsere Emotionen gehören zu unserem Dasein. Wie die Studie zeigen konnte, sind traurige Momente nicht langweilig. Trauer führt dazu, dass wir uns hinterfragen, unsere Einstellungen vielleicht verändern und ermöglicht überhaupt erst, dass wir echtes Glück erst spüren können. Ohne Täler kann es auch keine Gipfel geben. Diese Studie zeigt auch, wie wichtig es ist, mit welchen Menschen ich mich umgebe. Gehen Sie nicht zu den Langweilern, dort werden Sie sich langweilen. Arbeiten Sie mit Menschen zusammen, die ihren Job lieben, studieren Sie mit Studierenden, die ihr Studium lieben und unternehmen Sie etwas mit Freunden*innen, die Lust haben, etwas Schönes und/oder Sinnvolles mit ihnen zu unternehmen. Das zentrale Ergebnis der Studie ist aber, dass sinnlose Momente oft auch langweilige Momente sind.
Versuchen Sie daher sinnvolle Tätigkeiten in ihrem Leben zu fördern, wie ehrenamtliches Engagement, das Erleben der Natur und natürlich alles, worin sie sich selbst verwirklichen können.
Jeder Tag ist Ihre Entscheidung für ein spannendes Leben voll Sinn oder sinnlose Langeweile!
Zusammengefasst von Christoph Kreiß