Schnell, Tatjana (2008). Deutsche in der Sinnkrise? Ein Einblick in die Sinnforschung mit Daten einer repräsentativen deutschen Stichprobe. Journal für Psychologie, 16(3), Artikel 09.
Frei zugänglich: Journal für Psychologie
Befinden sich die Deutschen in einer Sinnkrise – wie es Kanzlerin Merkel 2005 andeutete? Nach einem kurzen Überblick über den Stand der Sinnforschung und Differenzierungen des Konstrukts Lebenssinn werden die Ergebnisse einer Untersuchung an einer repräsentativen deutschen Stichprobe (N = 603) anhand des Fragebogens zu Lebensbedeutungen und Lebenssinn (LeBe; Schnell & Becker 2007) vorgestellt.
Es zeigt sich eine relativ geringe Punktprävalenz (4%) von Sinnkrisen, wozu jedoch auch nicht zufällig fehlende Werte beigetragen haben können. Ein Drittel der Stichprobe erweist sich als existentiell indifferent, ein neu eingeführtes Konstrukt, das Menschen beschreibt, die ihr Leben weder als sinnerfüllt erfahren, noch unter einem Sinnmangel leiden. Die skalierten Lebensbedeutungen sind bei diesen Personen insgesamt geringer ausgeprägt als bei denjenigen, die unter einer Sinnkrise leiden; die geringste Ausprägung findet sich bei der Skala Selbsterkenntnis. Eine Vielzahl von Lebensbedeutungen trägt zur Sinnerfüllung der Deutschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts bei. Am stärksten ausgeprägt sind Moral, Harmonie, Fürsorge, Entwicklung und Gemeinschaft. Sehr wenig verbreitet hingegen ist Explizite Religiosität, gefolgt von Spiritualität.
Analysen des Zusammenhangs von Art und Anzahl der Lebensbedeutungen mit dem Ausmaß der subjektiven Sinnerfüllung sprechen dafür, dass Sinnerfüllung umso stärker erlebt wird, je mehr Selbsttranszendenz (Tiefe) die charakteristischen Lebensbedeutungen umfassen. Sinnerfüllung steigt zudem mit der Anzahl charakteristischer Lebensbedeutungen (Breite), und sie ist umso stärker, je unterschiedlicher diese Lebensbedeutungen sind (Balanciertheit).