Sabine Römer (2003). Implizit und explizit religiöse Transzendenzerfahrungen- eine qualitative Studie. (Universität Trier: Unveröffentlichte Diplomarbeit)
Zusammengefasst von Simone Schmit:
In dieser Diplomarbeit geht es um das Phänomen der Transzendenzerlebnisse. Den hier untersuchten Erlebnissen werden neben religiösen Erfahrungen, die traditionell in der religionspsychologischen Forschung behandelt werden, auch Erlebnisse zugeordnet, die einen implizit religiösen Charakter besitzen. Nach dem von Schnell (2004) entwickelten Konstrukt der impliziten Religiosität kann sich Religiosität einerseits explizit in religiösen Organisationen und etablierten Religionen manifestieren, andererseits implizite Züge annehmen. Diese Art von Religiosität zeigt sich u.a. in persönlich bedeutsamen Transzendenzerfahrungen, welche das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung sind. Solche Erlebnisse sind Situationen oder Beschäftigungen, die der betroffenen Person ein Gefühl von Bedeutsamkeit oder „Heiligkeit“ vermitteln und häufig unvorhergesehen auftauchen. Sie kennzeichnen sich durch eine kurzzeitige Bewusstseinsänderung und lassen die Person einen Moment lang alle raum-zeitlichen Gegebenheiten sowie das eigene Selbst, vergessen. Anhand unterschiedlich konzipierter Fragestellungen werden 74 Probanden nach diesen besonderen Momenten ihres Lebens befragt. Die berichteten Erlebnisse wurden primär qualitativ, teilweise auch quantitativ ausgewertet und Zusammenhänge zwischen ihnen aufgezeigt.
Anhand der Ergebnisse lässt sich sagen, dass alle Probanden von Transzendenzerfahrungen in einer sehr großen interindividuellen und intraindividuellen Vielfalt (à Vielfalt zwischen Personen, aber auch innerhalb einer Person) berichteten. Durch die breite Konzeptualisierung konnten unterschiedlichste Erlebnisse verzeichnet werden, welche die Kriterien der Bewusstseinsveränderung, Kurzzeitigkeit, Gefühl von Bedeutsamkeit, Aufgehen in der Situation aufweisen.
Numinose Erlebnisse (Erfahrungen wie Einblicke in eine andere Wirklichkeit, Begegnung mit Unerklärlichem, das Erfahren eines Siebten Sinnes und Telepathie) wurden von der Hälfte der Probanden berichtet. Sie wurden meist als etwas erlebt, das ‚über einen kommt‘, als nicht aktiv herbei zu führen. Nach Tart (1960) kann eine Person umso mehr außergewöhnliche Bewusstseinszustände erfahren, je offener sie Erfahrungen gegenübersteht. Sie bedürfen eines gewissen Kontrollverlusts.
Den numinosen Erlebnissen wurden ‚natürliche‘ Erlebnisse gegenübergestellt: diese wurden als weniger bewusstseinsverändernd erfahren. Zu ihnen zählen Einheitserlebnisse, Selbstüberschreitungen, Ekstase und kraftspendende Beschäftigungen und Erlebnissen. Diese setzen eine stärkere Aktivität der Person voraus. Meistens finden diese Erfahrungen in der Freizeit statt. Dabei ist der Kontext oft ein Hobby (z.B. malen, Musik hören, lesen…). Diese Transzendenzerfahrungen können ebenfalls nicht herbeigeführt, aber durch bestimmte Handlungen und Einstellungen erleichtert werden – im Gegensatz zu den oben erwähnten paranormalen Erfahrungen. Personen wissen um die kraftspendende Wirkung und setzen sie bewusst ein.
Die Diplomarbeit beinhaltet neben den erwähnten Ergebnissen noch weitere interessante Erkenntnisse und Diskussionen zu diesem Themenbereich, sowie die Schlussfolgerung, dass Transzendenzerlebnisse etwas universal Menschliches sind, von dem beinahe jeder zu berichten weiß.