Barbara Scherer, Kathrin Stocker, Veronika Rottensteiner und Claudia Beck widmeten sich im Zuge des Seminars „Empirische Sinnforschung und ihre Anwendung“ dem Thema „Posttraumatisches Wachstum“.
Sie führten 2 Interviews durch. Der Interviewleitfaden wurde auf Basis der 5 Subskalen der deutschsprachigen Version des Selbstbeurteilungsfragebogen “Posttraumatische Persönliche Reifung” (PPR) nach Maercker & Langner (2001) erstellt.
5 Bereiche posttraumatischer Reifung (Calhoun & Tedeschi, 1995)
1) intensivierte Wertschätzung des Lebens
Fragen: Hast du neue Vorstellungen in Bezug darauf was im Leben wichtig und vorrangig ist? Was ist dir jetzt im Vergleich zu vorher im Leben wichtig? Würdest du sagen, dass du die Tage nun bewusster erlebst?
2) intensivierte persönliche Beziehungen
Fragen: Wie haben sich die Beziehungen zu anderen verändert? Sind dir Beziehungen wichtiger geworden? Wie sehen die Beziehungen zu deiner Familie im Vergleich zu vorher aus? (Verbundenheit) (kann auf andere zählen) Kannst du dich eher in die Lage anderer versetzten? Drückst du Gefühle gegenüber anderen nun eher aus, die du vor dem Unfall für dich behalten hast?
3) Bewusstwerden der eigenen Stärke
Fragen: Hast du dadurch mehr Selbstvertrauen entwickelt (und inwiefern bist du dadurch stärker geworden) Gehst du nun anders mit Schwierigkeiten oder Veränderungen um?
4) Entdeckung neuer Möglichkeiten
Fragen: Lebst du deinen Alltag anders … hast du neue Interessen entwickelt? Wie würdest du deinen Lebensweg beschreiben, glaubst du ein anderes Leben zu leben … seither neue Möglichkeiten, die früher nicht möglich waren in Angriff zu nehmen? Bist du jetzt eher bereit Dinge zu verändern, die geändert werden müssen?
5) intensiviertes spirituelles Bewusstsein
Fragen: Was ist für dich Glaube? Hat sich der Glaube oder deine Lebensphilosophie verändert? Hat er/sie einen anderen Stellenwert in deinem Leben eingenommen?
Die Seminargruppe fasste die Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Interviews wie folgt zusammen:
„Das Gespräch mit den zwei Interviewpartnern ließ posttraumatische Reifung in ihrem Verlauf sowie dem Ausmaß, inwiefern Reifung der Person bewusst ist, sehr individuell erscheinen.
Interindividuelle Unterschiede sind neben der Tatsache, ob Reifung vorhanden ist oder nicht ebenfalls grundlegend für die Analyse.
Posttraumatische Reifung war dem ersten Interviewpartner bis zu diesem Gespräch noch gar nicht bewusst geworden, obwohl man klare Veränderungen in der Wertschätzung des Lebens und in allen anderen Bereichen, die dieses Konstrukt definieren, beobachten konnte.
Die zweite Person reflektierte viel bewusster über die Vorgänge, doch der Prozess der Reifung ist noch nicht abgeschlossen.
Tedeschi`s und Calhoun`s Definition (1995) von posttraumatischer Reifung, die ursprünglich in Fragebogenversion vorliegt, war als Interviewleitfaden sehr geeignet zur Erfassung dieses Konstruktes.“